Patric Faßbender, Erfinder der Tonies (©Foto: PR/Tonies)
Patric Faßbender arbeitet lange Zeit als Kreativ-Direktor in großen Agenturen. Als er Vater wird und der Werberwelt den Rücken kehrt, entsteht Platz für eigene Träume und Ideen. Das Ergebnis: die "Tonies", ein revolutionäres Abspielgerät für Kinder-Hörspiele.
"Wenn mir vor fünf Jahren jemand gesagt, wo und wie und mit welchem Projekt ich 2018 dastehen würde, dann hätte ich denjenigen für verrückt erklärt! Nicht, dass ich an einem Erfolg gezweifelt hätte, aber in diesen Dimensionen habe ich in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht. Geboren bin ich in den 70ern in Düsseldorf und auch hier zur Schule gegangen. Schon recht früh, mit 13 oder 14 war für mich klar, dass mich das Thema Grafik sehr begeistert. Inspiriert durch meinen Schwager, einen der besten Comic-Letterer Europas, gab es da für mich keinen Zweifel. Die einzige Alternative wäre Fußballprofi gewesen, aber dazu hat es leider nicht gereicht. Nach meinem Abitur kam ich noch in den Genuss, Zivildienst machen zu dürfen. Das meine ich völlig unironisch, der Zivildienst hat mir wirklich einiges auf den Weg mitgegeben. Nach einem Auslandsjahr habe ich angefangen, visuelle Kommunikation in Düsseldorf zu studieren. Meine Heimatstadt zieht sich schon wie ein roter Faden durch mein Leben. Vor dem Studium war ich ein Jahr in Amsterdam, eine Stadt, die ich immer noch liebe, wenngleich sie sich in den letzten Jahren nicht unbedingt zum Vorteil entwickelt hat. Doch als ich dann den Studienplatz in Düsseldorf bekam, bin ich wieder zurück und bin hier sehr glücklich und verwurzelt. In Deutschland könnte ich mir eigentlich nur Hamburg als Alternative vorstellen, außerdem London oder Paris. Als halber Franzose würde ich gern gut Französisch sprechen können, das muss ich irgendwann mal angehen. Schon als Student habe ich sehr viel in klassischen Werbeagenturen gearbeitet, um mein Studium zu finanzieren. Das war extrem hilfreich, weil ich so sehr schnell ein konkretes Bild vom zukünftigen Berufsleben bekam. Zu jener Zeit – Anfang Mitte der 90er - hielt gerade das Thema Desktop Publishing mit großen Schritten Einzug in die Agenturwelt, was extrem spannend war. Und wenig später das Internet. Das war wirklich aufregend, aus kreativer Sicht ein völlig neues Medium zu bespielen. Es gab – im Unterschied zu anderen Disziplinen – keine klaren Regeln, man konnte viel experimentieren und genoss große kreative Freiheit. Weder auf Kundenseite noch in den Agenturen selbst wusste man so recht, wo die Reise hingeht - das war großartig! Gegen Ende des Studiums habe ich umfangreich für eine der ersten großen Online-Agenturen in Düsseldorf gearbeitet. Planetactive. Bekloppter Name, aber eine Agentur im Aufbruch, schnell wachsend, tolle Kunden, tolle Teams. Und dort habe ich dann auch meinen richtigen Einstieg in die Berufswelt gemacht. Bis wir schließlich von einem der größten Agentur-Netzwerke der Welt – WPP – aufgekauft wurden und erleben mussten, wie schwer sich klassische Agenturen mit dem Thema digitale Kommunikation taten. Das war dann nicht mehr so spannend. Dennoch blieb ich noch länger an Bord, bis ich nach einem Jahr Elternzeit für mich den Entschluss fasste, das Kapitel Agenturwelt zu beenden. Das Gestalten an sich hat mir zwar immer noch große Freude bereitet, aber die „Politik“ in einer großen Agentur ging mir immer mehr gegen den Strich. Daraus wurde eine Abwärtsspirale: Keine Motivation mehr, keine gute Leistung, kein gutes Feedback, keine Motivation usw. Der Ausstieg war die Reaktion darauf, ohne zu wissen, was folgen soll. Mit zwei Kindern und einem gewissen Lebensstandard kein einfacher Schritt, für den ich auch lange gebraucht habe. Die Idee selbst kam dann quasi aus dem Nichts. Grundvoraussetzung war aber, dass ich nun „frei“ und offen für Neues war.
Ausgelöst wurde die Idee zu den Tonies durch die ständig kaputten CDs meiner Kinder. Das hat meine Frau und mich wahnsinnig gefuchst. Als wir merkten, dass es keine richtig gute Alternative gibt, habe ich beschlossen, das zu ändern und mich an das Konzept gemacht. Ich selbst bin mit den drei ??? groß geworden und merkte bei meinen Kindern, wie relevant diese Art der Unterhaltung immer noch ist. Als ich dann Struppi, den Hund des Reporters Tim, als Figur auf meinem Schreibtisch stehen sah, kam mir die Idee, solche Figuren zu nutzen, um ein Hörspiel zu repräsentieren und sie dafür einzusetzen. Das war die Geburtsstunde der Tonies. Es war der 22. April 2013 - da habe ich die Grundidee in mein Smartphone getippt und war sofort voller Adrenalin! Ein phantastisches Gefühl! Mir war schnell klar, dass es eine tragfähige Idee mit Zukunft ist, aber eben auch, dass Ideen noch nicht mal die halbe Miete sind, sondern lediglich der Startpunkt einer langen, intensiven, aufregenden Reise. Mit vielen Hindernissen, aber auch der Riesenchance, wahnsinnig viel zu lernen. Allerdings war mir auch schon recht früh klar, dass ich diese Reise nicht alleine antreten möchte und habe meinen Gründungspartner, Marcus Stahl, gefragt, ob er mit auf diese Reise gehen wollte. Zum Glück hat er ja gesagt, denn wir ergänzen uns wahnsinnig gut und sind im Laufe der Jahre richtig gute Freunde geworden. Erste Investoren haben wir im Freundeskreis gesucht, da eine komplette Neuentwicklung von Elektronik ausgesprochen kostenintensiv ist. Zum Glück ging das sehr schnell. Nach Gründung und erster Kapitalrunde haben wir die technische Entwicklung mit externen Partnern gestartet und angefangen ein Team aufzubauen, Patente geschrieben und damit begonnen, Lizenzen zu organisieren, die für unser Konzept sehr wichtig sind. Die Entwicklung der Tonies hat dann über drei Jahre gedauert, bis wir im September 2016 endlich an den Markt gegangen sind. Unterwegs gab es natürlich viele kleinere Stolpersteine, aber wir haben sehr schnell eine Mentalität entwickelt, diese anzunehmen und möglichst umgehend zu lösen. Wenn man dann ein paar Mal Erfolg hatte, gibt es dir das das Vertrauen und das Bewusstsein, so ziemlich alles lösen zu können. Eine extrem wichtige Erfahrung, da sie dir Sicherheit und Ruhe gibt. Eine große Herausforderung war witzigerweise das Nähen der Toniebox-Hüllen. Das hatten wir nicht erwartet und hat uns einiges abverlangt! Der Durchbruch kam dann so etwa im Oktober 2017. Da explodierte die ohnehin sehr gute Nachfrage aufgrund des Weihnachtsgeschäftes regelrecht. Das war atemberaubend! Wenngleich ich sagen muss, dass wir von Anfang an das Gefühl hatten, dass unsere Vision eines wirklich kindgerechten Audiosystems seine Berechtigung hat. Das Feedback war klasse und auch die Verkaufszahlen waren extrem gut. Doch das Weihnachtsgeschäft hat nochmal einen draufgesetzt.
Nach einem Jahr waren wir schon zu acht, inzwischen sind wir 50 und suchen weiterhin gute Leute, die uns helfen unsere Vision weiterhin erfolgreich umzusetzen.
Ein großes Thema war bei uns im Weihnachtsgeschäft die Warenverfügbarkeit. Das hat im Moment oberste Priorität. Darüberhinaus arbeiten wir daran, uns als Unternehmen besser aufzustellen, um dem Wachstum Rechnung zu tragen, also Strukturen und Prozesse zu optimieren bzw. aufzusetzen. Ebenso essentiell ist der permanente Ausbau unseres Sortiments und neue Produktideen mit demselben Fokus und Anspruch zur Marktreife zu bringen. Und dann steht dieses Jahr noch der erste nicht-deutschsprachige Markt an, es geht Richtung UK. Die Nachfrage auch aus internationalen Märkten ist groß und mit der englischen Sprache haben wir viele Optionen. Damit geht einher, auch Lizenzen zu organisieren, die lokal Sinn machen und erfolgversprechend sind. Meine Empfehlung an Leute, die meinen, sie haben die eine großartige, erfolgversprechende Idee im Kopf: 100% Einsatz, nichts einfach nebenbei machen, sondern Vollgas geben. Fokussieren ist extrem wichtig, man darf sich nicht verzetteln und das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlieren. Ein schlagkräftiges Team aufbauen. Und sich mit vielen Leuten über die Idee austauschen, damit sie permanent auf dem Prüfstand steht. Das macht sie am Ende besser. Aber auf keinen Fall verunsichern lassen und zu viele Kompromisse eingehen, hinter denen man nicht steht. Manchmal ist das Bauchgefühl wertvoller als jede Mafo-Analyse. Düsseldorf ist und bleibt die Basis. Da ich im Moment oft weltweit unterwegs bin, dadurch genügend Input aus anderen Städten und Ländern bekomme, und natürlich auch weil meine Kinder schulpflichtig sind, überlegt man es sich besonders gut, ob ein Standort-Wechsel in Frage kommt. Allerdings ist für mich schon jetzt gesetzt, dass ich nach meinem Berufsleben an die holländische Nordsee ziehen möchte. Ich liebe diese Gegend und kann mir kaum was Schöneres vorstellen, als in einem Haus in den Dünen zu wohnen, Strandspaziergänge zu machen und am Abend vorm Kamin ein gutes Buch zu lesen. Aber das dauert hoffentlich noch ein wenig, bis es soweit ist." Aufgezeichnet von Ingo Scheel
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Veröffentlicht
14.02.2018