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Auswahltests für Bewerber müssen nicht eintönig sein. Mit neuen, spielerischen Angeboten modernisieren Unternehmen ihre Recruiting-Verfahren. Das Zauberwort heißt: Gamification
„Hallo, mein Name ist Sameer Naik. Es freut mich, dass Sie gut hergefunden haben. Die Besprechung startet gleich in Konferenzraum 1a.“ Hergefunden ist dabei allerdings nicht wörtlich zu nehmen – denn wer dem freundlichen Banker im Anzug gegenübersteht, der ist eigentlich gerade im Internet unterwegs. Genauer bei der Targo-Bank-Tour, dem Online-Assessment-Center des Unternehmens. Statt Bewerbern einen Link zu nüchternen Aufnahmetests zu schicken, bauen Unternehmen auf den neuen Trend Gamification.
Der Begriff wird in den verschiedensten Bereichen gebraucht, immer dann, wenn eine Anwendung spielerisch gestaltet wird. Dabei werden Prinzipien und Mechanismen aus Computerspielen auf ganz andere Aufgaben übertragen und dadurch unterhaltsamer gemacht. Ging es ursprünglich um ein reines Punktesammeln wie bei Super Mario (heute noch beim Meilensammeln zu finden), wird es immer komplexer: Eine App mit Audiomissionen hilft dem Läufer, schneller zu werden, weil er vor imaginären Zombies flieht. Und Arbeiter in einem Werk treten in einer virtuellen Liga gegeneinander an und fehlerlos ausgeführte reale Aufgaben werden im Erfolg der digitalen Spielfigur sichtbar. Auch im Recruiting wird der Trend mittlerweile angewandt. Eines der bekanntesten und ältesten Beispiele ist „Americas Army“, ein Recruiting-Spiel der US-Army: Dort sollen Kandidaten die Mission von Soldaten in einem Ego-Shooter spielen. Streng unterschieden werden muss zwischen zwei Arten: Zum einen gibt es Orientierungsspiele, die im Rahmen von Selbsttests oder 10-Minuten-Praktika dem Bewerber selbst eine Einschätzung geben sollen, welcher Job für ihn in Frage kommt – diese Spiele sind für jeden im Netz zugänglich. Zum anderen gibt es Online-Assessments, die durch eine Rahmenhandlung spielerisch aufgeladen werden – diese bleiben aber Tests und die Links hierzu werden den Bewerbern nach positiver Prüfung der Bewerbungsunterlagen zugesandt und sind nur für sie sicht- und spielbar.
Noch handelt es sich laut Tim Weitzel, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Uni Bamberg, „nicht um ein Breitenphänomen“: In einer Studie in Zusammenarbeit mit Monster fand er bei der Befragung von mehr als 1000 Unternehmen heraus, dass aktuell knapp 2,5 Prozent Recruiting Games anbieten. In Zukunft planen immerhin 3,6 Prozent der Top-1000-Unternehmen Deutschlands, eine Gamification-Anwendung auf ihrer Firmenwebseite zu integrieren.
Orientierungsspiele gibt es zum Beispiel bei der Krankenkasse DAK, dort kann man in einem „Online-Praktikum“ ein paar Minuten zum Beispiel als Kaufmann im Gesundheitswesen mit dem Schwerpunkt Krankenhausabrechnung mithelfen (siehe Screenshot).
©DAK
Ähnliches gibt es im Bereich Steuern und Wirtschaftsprüfung bei Deloitte und bei der Allianz können Interessierte im Karrierematcher herausfinden, wie gut Unternehmen und Job passen: In simpler Tinder-Logik werden bestimmte Aussagen bejaht oder verworfen.
Seit zehn Jahren gibt es beim Verlagshaus Gruner und Jahr „Cypress“, das dem Kandidaten helfen soll, herauszufinden, welcher Job im Verlagshaus für ihn spannend sein soll. Cypress überquert aber die Grenze zum Online-Assessment, indem es nach der erfolgten Bewerbung weitergeht: Der Bewerber bekommt einen Link, unter dem er dann spielerisch verschiedene Aufgaben, zum Beispiel einen kognitiven Leistungstest absolvieren muss. Nach der Bewerbung gibt es auch bei der Targobank einen Link, durch den der Bewerber zu einem Rundgang durch das Back Office (Screenshot) des Unternehmens gelangt. Dort lernt er es besser kennen, während er die Tests bestreitet. Hier sind alle Charakter fiktiv, die Allianz geht noch einen Schritt weiter: Im Online-Allianz-Campus führen echte junge Mitarbeiter durch die Tests und die Infogames.
©Targobank
Die Gründe, warum Unternehmen Gamification im Bewerbungsprozess anwenden, sind vielfältig. Sie wollen einen Einblick ins Unternehmen geben, es greifbar machen und so die Hürden für die Teilnahme niedriger halten. Natürlich wollen sie ihr Unternehmen nebenbei auch noch positiv darstellen. Dass abgelehnte Kandidaten immer negative Gefühle gegenüber dem Unternehmen haben werden, soll damit auch ausgemerzt werden: Weil das Spiel selbst einen Lust- und Informationsgewinn darstellt, geht man davon aus, dass der Frust selbst bei einer Absage nicht so groß ausfällt – und sich der Bewerber vielleicht irgendwann in der Zukunft wieder bei dem Unternehmen bewirbt.
Da spielerisch aufbereitete Bewerbungsverfahren im Grunde klassische kognitive, sprachliche oder Vorstellungstests beinhalten, unterscheidet sich die Vorbereitung darauf nicht grundlegend von der, die man für persönliche Auswahltests absolvieren sollte. Psychospielchen, die nicht die eigentliche Aufgabe auswerten, sondern magisch Schlüsse auf die Persönlichkeit zulassen, gibt es hier nicht. Bei der Targobank besteht zum Beispiel eine Aufgabe darin, Diagramme richtig zu lesen: Der Kandidat muss herausfinden, ob sich vorgegebene Aussagen tatsächlich aus den Diagrammen ableiten lassen oder nicht, und ob sie inhaltlich richtig sind. „Die beste Vorbereitung ist, wenn man bereits einige Tests macht, dann kennt man die typischen Aufgabenarten und ist weniger nervös“, sagt Tobias Meier, der nach einigen absolvierten Assessment Centers und der Beratung für Freunde beschlossen hat, die AC Academy zu gründen, die Coaching für den Bewerbungsprozess anbietet. Ein klassischer Test, den Meier auch in gamifizierten Verfahren entdeckt hat, ist die Postkorbübung: „Da geht es immer ums Priorisieren: Wie löst man Terminkonflikte, was macht man, wenn die 100.000 Euro Budget nicht für alle sieben Projekte reichen?“ Wer sich vertraut damit macht, was diese Übung ist und was der Arbeitgeber damit herausfinden will, werde gelassener: „Dann sagt man im Test: ‚Guck mal, das ist die Postkorbübung.’ So kann ich mit der Hektik, die die Übung stiften soll, viel besser umgehen.“ Auch klassische Zahlenreihen, Rechentextaufgaben oder Rechtschreibaufgaben, auf die man sich leicht vorbereiten kann, finden sich in vielen Tests – sie sind lediglich in einen spielerischen Kontext gestellt. Text: Maria Zeitler
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Veröffentlicht
14.12.2016