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Tagtäglich versuchen wir im Beruf, viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Multitasking gilt als effizient. Ein Trugschluss, sagt der Coach und Autor Mathias Fischedick. Aber wie geht es besser?
Eine E-Mail an die Kundin schreiben, nebenbei eine Nachfrage des Kollegen im internen Chat beantworten und das Meeting in Outlook verschieben: Vermeintlich schaffen wir im Job mehr, wenn wir Dinge gleichzeitig erledigen. Der Business-Coach Mathias Fischedick hält Multitasking für einen Mythos. Im Interview erklärt der Buchautor («Mehr schaffen, ohne geschafft zu sein»), wie wir ganz ohne Multitasking unser Arbeitspensum schneller und fehlerfreier bewältigen können.
Mathias Fischedick: Dass Multitasking funktioniert, ist ein Irrglaube! Unser Gehirn kann immer nur eine bewusste Tätigkeit gleichzeitig ausführen. Wenn Sie versuchen, beim Telefonieren gleichzeitig eine E-Mail zu beantworten, springt in Wirklichkeit Ihre Aufmerksamkeit immer hin und her zwischen Mail und Telefonat. Sie erledigen also nicht beides parallel, sondern es ist ein schneller Wechsel zwischen beiden Tätigkeiten. Jeder dieser unzähligen Aufmerksamkeitssprünge kostet Energie und auch Zeit. Das heißt, in der Summe verbrauchen Sie mehr Zeit, als wenn Sie beide Tätigkeiten nacheinander ausgeführt hätten. Außerdem produzieren Sie beim Versuch des Multitaskings mehr Fehler. Diese zu korrigieren, kostet noch weitere Zeit, von der wir eh zu wenig haben.
Fischedick: Eine Mail zu schreiben und gleichzeitig ein Telefonat zu führen, ist ein typischer Fall aus dem Arbeitsalltag. Wir glauben, dass wir mal eben beides gleichzeitig erledigen können. Jeder, der es schon einmal versucht hat und dem Anrufer halbwegs aufmerksam zugehört hat, wird im Anschluss festgestellt haben, dass er seine gleichzeitig geschriebene Mail noch mal überarbeiten muss, da Dinge darin nicht auf den Punkt gebracht sind, Teile fehlen oder es einen Haufen von Tippfehlern gibt. Wenn wir uns dagegen auf das Schreiben fokussieren, hören wir dem Anrufer nicht mehr richtig zu. Das ist zum einen respektlos und zum anderen können wir uns nachher nicht mehr genau an alles erinnern, was unser Gesprächspartner gesagt hat. All das kostet uns am Ende mehr Zeit, als Mail und Telefonat nacheinander zu erledigen.
Fischedick: Wenig Ablenkung, klare Struktur und regelmäßige Pausen sind für mich die wichtigsten Faktoren, um möglichst viel zu schaffen. Wir werden in der heutigen digitalen Zeit zu sehr durch ständig eingehende Mails, Nachrichten, Anrufe und so weiter abgelenkt. Deshalb ist mein Tipp: Möglichst Störquellen ausschalten. Das heißt, das Handy auf stumm schalten und am besten mit dem Display nach unten auf den Tisch legen, damit wir nicht doch im Augenwinkel sehen, dass eine neue Nachricht eingegangen ist. Genauso empfiehlt es sich, das Mailprogramm so einzustellen, dass neue Nachrichten nicht automatisch abgerufen werden, sondern erst auf Knopfdruck. Dadurch entscheiden wir selbst, wann wir bereit sind für neue elektronische Post.
Struktur ist wichtig, da wir Zeit und Energie sparen, wenn uns klar ist, was wir bis wann erledigen müssen und vor allem auch warum! Das Warum einer Aufgabe macht uns den Sinn einer Aufgabe klar. Wenn wir den Sinn verstehen, dann gehen wir motivierter und zielführender an die Sache. Deshalb mein Tipp: Hinterfragen Sie bei jeder Aufgabe, die Sie zu erfüllen haben, erst den Sinn und erledigen Sie diese nicht nur aus Gewohnheit.
Fischedick: Machen Sie alle 90 Minuten 10 bis 20 Minuten Pause. Und damit meine ich eine echte Pause. Wenn Sie in dieser Zeit private Nachrichten auf dem Handy lesen, dann kommt Ihr Gehirn nicht zur Ruhe. Die besseren Alternativen für eine Pausenbeschäftigung sind für mich zum Beispiel ein kurzer Spaziergang, das bewusste Essen eines kleinen Snacks, ein paar Fitnessübungen, etwas Yoga, Musik hören oder Tanzen. Was auch schnell neue Kraft bringt, sind Powernaps von 15 bis 20 Minuten.
Fischedick: Jeder kennt sich selbst am besten und weiß, was verführerische Ablenkungen sind. Seien es Whatsapp-Nachrichten von Freunden, eine neue Mail oder der Kollege, der mal kurz vorbeischaut. Wenn ich weiß, was mich leicht aus der Arbeit reißt, dann kann ich entsprechend vorbeugen, zum Beispiel durch das Stummschalten des Handys oder einem Schild an der Bürotür mit dem Hinweis: «Ich bin gerade beschäftigt und brauche meine volle Konzentration. Ab XX:XX Uhr bin ich wieder ansprechbar.»
Fischedick: Damit man den Kopf wirklich wieder frei hat für die ursprüngliche Tätigkeit, sollte man die neuen Informationen und Eindrücke, die durch den störenden Anruf kamen, erstmal verarbeiten. Zum Beispiel, indem man direkt das erledigt, was sich aus dem Anruf ergeben hat. Das empfiehlt sich allerdings nur bei kleineren Aufgaben, wenn es also beispielsweise darum geht, eben schnell ein Dokument oder eine Mail weiterzuleiten. Bei einem umfangreicheren Pensum, das sich aus dem Telefonat ergibt, ist mein Tipp, sich eine Notiz zu machen, was genau später zu tun ist. Durch dieses Externalisieren und strukturierte Aufschreiben der Gedanken ist der Kopf dann wieder frei, um mit der Tätigkeit fortzufahren, bei der man zuvor unterbrochen worden war.
Veröffentlicht
16.07.2021
Author:in
Amelie Breitenhuber