Barack Obama brachte sie auf den Weg: Janina Mütze, Mitgründerin und COO des Meinungsforschungsinstituts Civey, hat es mit Mut, Selbstbewusstsein und der Bereitschaft, auch mal anzuecken, in einer von Männern dominierten Branche früh nach vorn geschafft.
Janina Mütze, Mitgründerin und COO Civey © Civey„Wenn ich jemanden nennen müsste, den ich bewundere, dann wäre das Pippi Langstrumpf. Sie tut, was sie will und lässt sich nicht verbiegen. Aber im Ernst: Ich interessiere mich sehr dafür, wie andere Leute – insbesondere Frauen – die beruflich viel erreicht haben, dorthin gekommen sind. Solche Menschen haben für mich Vorbildfunktion. Ich selbst bin heute 27 Jahre alt, aber erste Schritte, die den Weg für meinen beruflichen Werdegang bereitet haben, bin ich bereits mit 14 gegangen. Damals – ich wohnte in einem Vorort im Main-Taunus-Kreis bei Frankfurt – engagierte ich mich in der Kommunalpolitik. In der Schule war ich zwar gut, aber es gab immer eine große Kluft zwischen den Fächern, die mich interessierten, wie Geschichte, Politik und Sozialwissenschaften, und denen, die mich weniger interessierten, wie Naturwissenschaften. Bei der Arbeit in der Kommunalpolitik lernte ich viel über politische Systeme, also den Bereich, der mich bis heute beruflich beschäftigt. Mit 18 hatte ich dann einen Schlüsselmoment: Ich saß in einer Mitfahrgelegenheit für einen Besuch in Berlin und Barack Obama, damals Präsidentschaftskandidat, hielt seine bejubelte Rede. Ich entschied, dass ich nach Berlin ziehen würde.
Ich zog also nach Berlin, hatte anfangs weder Wohnung noch Job, aber das änderte sich bald. Ich fing an, in dem Bistro der französischen Botschaft das Mittagessen und Kaffee zu servieren. Neben dem Gehalt bekam ich so zwei Mal wöchentlich für acht Stunden quasi kostenlosen Französischunterricht. Und nicht nur das: Später machte ich ein Praktikum in der Finanzabteilung der Botschaft. Die Stelle gab es nicht und wurde für mich eigens geschaffen. Wie später auch noch öfter mal, war ich wohl einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit meinem VWL-Studium, das ich parallel machte, wurde ich eigentlich erst durch die Bachelor-Arbeit glücklich, die ich zum Thema „Länderfinanzausgleich“ schrieb. Mich interessierte die Frage, was es mit Ländern und ihren Entscheidungsträgern macht, wenn sie wissen, dass im Falle geringerer Einnahmen ein anderes Land finanziell in die Bresche springt. Anreize und Motivationen in Menschen zu verstehen finde ich bis heute spannend. Den Rest des Studiums fand ich eher verstaubt, das passte nicht wirklich zu mir. Und so bekam ich nach dem Abschluss einige Absagen auf Bewerbungen und erlebte zum ersten Mal, dass etwas nicht gleich klappte. Eine Reise durch Mittelamerika brachte mich erst einmal auf andere Gedanken, und nach meiner Rückkehr eröffnete sich tatsächlich eine neue Möglichkeit: Ich begann ein PR-Volontariat in einem Interessensverband. Eine externe Station absolvierte ich in der Parlamentsredaktion der Süddeutschen Zeitung, wo beispielsweise ein Artikel, den ich über den Depressionsatlas verfasst hatte, sogar auf Seite 4 veröffentlicht wurde. Meine Karriere nahm jedoch schneller als erwartet wieder einen anderen Weg. Bereits nach wenigen Monaten – das Volontariat war offiziell noch lange nicht beendet – fragte mich meine Chefin, ob ich nicht ihre persönliche Referentin werden wolle. Und wie so oft, habe ich die Chance damals einfach ergriffen ohne groß zu grübeln. Bereits am nächsten Morgen fand ich mich im ICE nach Hamburg wieder, auf dem Weg zu meinem ersten Termin mit ihr.
Es ist wichtig, sich zu trauen, in vielversprechende Situationen einfach „hineinzuspringen“.
Das habe ich aus diesem, und aus vielen anderen Momenten, gelernt. Oft gab es eigentlich gar keine Stelle, aber weil es einfach gepasst hat, wurde sie dann eben kurzerhand für mich geschaffen.
Die Zeit als Referentin der Geschäftsführung war ein tolles Karrieresprungbrett, aber nach kurzer Zeit habe ich gemerkt, dass es nicht das Richtige für mich war. Ich möchte gern viel arbeiten, aber nicht den Kalender einer anderen Person leben.So kündigte ich, und in die Zeit fiel dann auch die Idee von Civey, dem Meinungsforschungsinstitut, dessen Mitgründerin und COO ich heute bin. Wir bieten online Meinungsforschung und gehen dabei einen neuen Weg der Transparenz: Nutzer, die abstimmen, sehen live repräsentative Ergebnisse. Mein Mitgründer saß bereits an einem ersten Businessplan. Ich wollte direkt mitmachen und habe einen Kredit aufgenommen. Das war sicherlich ein weiterer Schlüsselmoment. Auf meine Intuition konnte ich immer gut vertrauen, so habe ich mir wenig Sorgen gemacht. Ich war ja auch erst 24, was hatte ich – abgesehen von Geld – schon zu verlieren? Die erste Zeit haben wir in einem Coworking-Space gearbeitet. Wir hatten erfolgreich Fördergelder beantragt, konnten erste Mitarbeiter einstellen und machten uns erst einmal ganz grundsätzliche Gedanken: Was ist eigentlich unser Konzept? Wie wollen wir heißen? Wie soll die Website aussehen? Ich bereue nichts, dafür gibt es auch keinen Grund. Wir haben heute, zweieinhalb Jahre nach der Gründung, 35 Mitarbeiter und mehr als eine halbe Million registrierter Nutzer. Mehr als 50.000 Menschen stimmen täglich über Civey ab. Wir sind damit der größte Meinungsforscher Deutschlands und haben Medienpartner wie Spiegel Online und die Süddeutsche Zeitung. Als weibliche Gründerin in der Start-up-Branche bin ich eine Ausnahme. Nur knapp 15 Prozent der Start-ups werden von Frauen gegründet. Das kann positiv sein, weil ich so zumindest immer auffalle, aber auch negativ: Es kommt vor, dass Investoren annehmen, dass mein Co-Gründer und ich ein Paar sein müssten, denn warum sonst könnte ich wohl bei Verhandlungen anwesend sein? Ich begegne der Herausforderung, indem ich insbesondere mein weibliches Netzwerk ausbaue und sitze auch im Vorstand des Bundesverbands Deutscher Startups. Wenn Civey irgendwann mal ohne mich läuft, kann ich mir nicht vorstellen, wieder in ein Angestelltenverhältnis zu gehen. Ich liebe diese Energie, die bei einer Gründung entsteht: Aus dem Nichts eine Idee zu entwickeln und aufzubauen, mit einem tollen Team aus Menschen mit vielleicht ganz anderen Skills als ich selbst sie habe. Was ich wichtig finde: Ab und zu mal anecken und die eigene Meinung vertreten. Nur so kann man sich auch nachhaltig wohl fühlen. Das Pippi-Langstumpf-Prinzip eben.“ Aufgezeichnet von Antonia Thiele
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Veröffentlicht
23.01.2018