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Glück muss der Mensch haben. Auch in Sachen Karriere. Aber sollte man seinen beruflichen Werdegang nicht besser planen? Oder kommt es da auch auf den Zufall an? Was Wissenschaftler dazu sagen.
Nach dem Abitur ein Praktikum im Ausland, dann ein Studium mit Bestnoten abschließen. Anschließend im Traumjob hart arbeiten - dabei das Netzwerken nicht vergessen. So geht es auf der Karriereleiter steil nach oben, oder?
Vieles deutet darauf hin. Allerdings sollten wir eines nicht unterschätzen, rät Chengwei Liu: den Faktor Glück. Der Professor für Strategie- und Verhaltenswissenschaften gibt zu bedenken: «Bei hohen Karrierezielen, etwa CEO einer Aktiengesellschaft, ist Glück wichtiger als Leistung und Anstrengung.»
«Das hängt nicht zuletzt vom Wettbewerb ab», sagt Liu, der an der privaten Hochschule ESMT in Berlin lehrt. Bei Berufen, die eine Vielzahl von Bewerbern anlocken, spiele Glück eine wichtigere Rolle. Denn da sind in der letzten Runde im Rekrutierungsprozess alle gleichermaßen gut. So ist der Zufall - oder Glück - entscheidend.
Wer sich hingegen für einen weniger beliebten Beruf entscheidet, kann sich als Bewerber mehr auf seine Fähigkeiten und Leistungen verlassen - und ist weniger vom Glück abhängig.
«Davon würde ich abraten», sagt Marcel Brass, Professor für soziale Intelligenz an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ob jemand die Karriereleiter aufsteigt, hänge entscheidend von Leistungen, Fähigkeiten und Engagement ab. «Da auf den Faktor Glück zu setzen, halte ich für schwierig», so Brass.
Dennoch könnten Zufälle die Karriereplanung entscheidend verändern. Etwa wenn Wissenschaftler sich bei einem Kongress abends in gemütlicher Runde austauschen - und so jemand zufällig von einer passenden Position an einer Universität im Ausland erfährt.
Das war so nicht geplant, und kann dennoch reizvoll sein. So kann der Zufall neue Perspektiven eröffnen. «Deshalb ist es gut, im Berufsleben offen zu sein für Entwicklungen», empfiehlt Brass. Auch Flexibilität sei wichtig.
Karriereentscheidungen sollte man aber dennoch bewusst treffen: «Bevor man solche Karriereschritte unternimmt, muss man die Vor- und Nachteile sorgsam abwägen», rät Brass. Dabei sollte man auch die eigene familiäre Situation berücksichtigen.
Die Zufallsauswahl könne helfen, wenn es nicht allein auf Fachwissen ankommt, sondern auf verschiedene Perspektiven im Team, so Liu. Viele Führungskräfte seien voreingenommen - und entscheiden sich oft für Bewerber, die ihnen ähnlich sind. Dies verhindere «Vielfalt».
Bei der Zufallsauswahl habe man «weniger Kontrolle über die Ergebnisse der Personalauswahl, erreicht aber mehr, indem man voreingenommene Entscheidungen von vornherein ausschaltet.» Das spare letztendlich Zeit und Ressourcen.
Was sich in der Theorie gut anhört, kann in der Praxis scheitern. «Eine zufällige Auswahl kann keine optimale Personalentscheidung garantieren», erklärt Liu. Wichtig sei, dass das Zufallsprinzip zur Firmenkultur gehöre. «Die Unternehmensspitze, aber auch die Belegschaft, müssen hinter dem Prinzip stehen», so Liu.
Können sich Führungskräfte damit nicht identifizieren, sollten sie das Prinzip aufgeben «und sich auf die Worst-Case-Szenarien vorbereiten, die aus voreingenommenen Entscheidungen resultieren können.»
Viele Leute seien davon überzeugt, dass menschliches Denken alle Herausforderungen meistern kann, so Liu. Wer aber immer auf vernunftgesteuerte Entscheidungen bestehe, könne nie entdecken, dass vernunftlose Entscheidungen manchmal effektiver seien.
Veröffentlicht
25.03.2022
Author:in
Sabine Meuter