Für eine Karriere lohnt sich auch mal ein Umzug in die Provinz

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Umzug für die Karriere: So lockt die Provinz

Fach- und Führungskräfte sind gefragt, aber in vielen Regionen schwer zu finden. Experten erklären, welche Vorteile eine Karriere in der Provinz hat - und welche Initiativen und Stipendien Ihnen dabei helfen.


Weniger Stress, kürzere Arbeitswege und viel Grün um zu entspannen – was will man mehr? Wer auf dem Land lebt, ist glücklicher, sagen Soziologen und Forscher. Dennoch hadern Fach- und Führungskräfte oftmals mit der Entscheidung, sich fern der Großstadt in der - oft nur vorgeblichen - "Provinz" zu bewerben. Dabei sind gut qualifizierte Fachkräfte aus allen Branchen für ländliche Arbeitgeber wichtiger denn je, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Arbeitsaufgaben bunter und vielfältiger

Thomas Frey, Inhaber der Personalberatungsagentur Personalpotential und der Branchenplattform ladenbau.careers aus Mülheim an der Ruhr kennt die Vorteile, die ein Unternehmen in der Provinz potenziellen Bewerbern bieten kann. Selbst viele Jahre im Management eines mittelständischen Unternehmens tätig, unterstützt er seit 2011 Handel-, Ladenbau- und Industrie-Kunden auch in ländlichen Regionen bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern. "Der Fachkräftemangel auf dem Land ist deutlich spürbar", betont Frey. Die Vorteile einer Anstellung in einem kleinen mittelständischen Unternehmen liegen für den Personal-Experten klar auf der Hand: "Die Arbeitnehmer können in der Regel stärker Einfluss auf die internen Entwicklungen nehmen. Sie sind viel näher am Produkt und Ihnen wird schneller Verantwortung übertragen." Auch die Arbeitsaufgaben seien meist bunter und vielfältiger als in einem Großkonzern. "Und das wiederum führt zu einer höheren Mitarbeitermotivation“, sagt Frey. Ein weiteres Plus ländlicher Unternehmen: sie bieten viele Anreize, um Sie als Bewerber zu erreichen. Attraktive Kinderbetreuungs-Angebote oder ein Physiotherapie-Raum im Büro zum Beispiel. "Hinzu kommt, dass man Ihnen vermutlich als Fach- und Führungskraft schnellere Aufstiegschancen einräumen wird, da in kleinen mittelständischen Unternehmen vergleichsweise flache Hierarchien herrschen und das Konkurrenzdenken niedriger ist als in einem städtischen Großkonzern." Haben Sie Ihre Bewerbung abgeschickt, beginnt das große Warten. Nicht so auf dem Land. Denn dort landen Ihre Unterlagen meist nicht auf einem meterhohen Stapel, der über Wochen von einer überlasteten Personalabteilung abgearbeitet wird – sondern direkt ganz oben. „Kleine mittelständische Unternehmen auf dem Land sind häufig Familien-geführt. Da liest der Chef noch höchstpersönlich die Bewerbungsunterlagen und wählt aus", erklärt Frey.

„Viele wollen wieder zurück aufs Land“

Sie sind immer noch unsicher, ob eine Karriere in der Provinz zu Ihnen passt? Dann holen Sie sich Unterstützung. Von bundesweiten Beratungsangeboten, Stipendienprogrammen oder Initiativen, die sich einiges einfallen lassen um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. In der Region Nordostniedersachsen zum Beispiel ist seit 2014 eine einzigartige IHK-Zukunftsinitiative aktiv. Der Name: hierjetztmorgen. In gemeinsamen Workshops wurden 20 Projekte zur Fachkräftesicherung und eine Fachkräftestrategie für die Region entwickelt. Begleitend haben sich auf Initiative der IHK 14 Partner zu einer Allianz für Fachkräfte zusammengeschlossen, um diese und weitere Projekte umzusetzen und auf dem Land mit neuen Ideen und Qualifizierungsmaßnahmen zur nachhaltigen Fachkräftesicherung beizutragen. Um die Arbeitgeberwahl zu erleichtern, beschäftigen sich die Projekte mit relevanten Themen wie Vereinbarkeit von Karriere und Familie, der betrieblichen Gesundheitsförderung, dem Aufbau eines Welcome Service Centers für ausländische Fachkräfte sowie der Rückgewinnung von Menschen, die die Region wegen Studium oder Ausbildung verlassen haben. „Der Landkreis Lüchow-Dannenberg ist beispielsweise stark von der Abwanderung junger Menschen in die Städte betroffen. Doch viele sind sehr heimatverbunden und wollen wieder zurück aufs Land“, erklärt Sönke Feldhusen von der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg. Mit Beratungsgesprächen und Netzwerk-Angeboten der Entwicklungsagentur >Willkommen im Wendland soll die Aufmerksamkeit dieser potenziellen Bewerber geweckt werden. Wer sich bei einem Unternehmen auf dem Dorf bewirbt, dem rät Feldhusen in jedem Fall: "Bleiben Sie authentisch, denn der menschliche Faktor ist in einem kleinen Familienunternehmen ein entscheidendes Einstellungskriterium. Meist herrscht eine ausgeprägte Unternehmenskultur, und ein gutes Miteinander ist wichtig." Dies gelte auch generell für das Leben im ländlichen Raum. "Wer auf dem Land glücklich werden will, sollte gern soziale Kontakte suchen, denn gelegentlich treffen Sie Ihre Kollegen auch in der Freizeit oder beim Sport."

Gefragt in der Provinz: Startups und Freelancer

Mittlerweile ist im Zuge der IHK-Zukunftsinitiative >hierjetztmorgen auch ein erstes Coworking- und Gründerzentrum entstanden. Wenn die Internetanbindung stimmt, biete sich schließlich auch für Selbstständige eine berufliche Zukunft im Grünen an. Das sieht auch Martin Kuder aus Berlin so, Initiator des Programms >Lokalhelden – Gründerwerkstatt für den ländlichen Raum. „Der ländliche Raum braucht dringend gut ausgebildete Leute", betont Kuder. Mit einem Netzwerk aus Fachkräften, Mentoren und Dozenten berät und unterstützt die Gründerwerkstatt in den kommenden drei Jahren 35 Stipendiaten aus Ostdeutschland bei der Ausarbeitung und Realisierung einer sozialen oder ökologisch ausgerichteten Geschäftsidee. Möglichkeiten für Selbstständige auf dem Land gebe es immerhin zur Genüge, betont Kuder. „Bauen Sie zum Beispiel eine kleine Pension auf, verkaufen Sie Honig, bewirtschaften Sie Ihre eigene Streuobstwiese oder versuchen Sie Ihr Glück in der Holzwirtschaft“, empfiehlt er. Allerdings verändere sich die Nachfrage in ländlichen Regionen relativ schnell. Daher sei es sinnvoll, ein zweites Standbein aufzubauen. Klingt stressig? Ist es aber nicht. „Sie haben in der Stadt heutzutage ein weitaus verschärfteres Zeitmanagement, an das Sie sich halten müssen. Arbeitsprozesse ziehen sich weit in die Nacht hinein und Sie haben nur wenig Ruhe. Da ist die Arbeit auf dem Land die bessere Alternative.“ Und das Beste: Sie müssen sich nicht mehr stundenlang durch den dichten Verkehr der Großstadtstraßen quälen. Text: Sonja Schmidt


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Veröffentlicht
26.04.2017