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Gesine Michold-Brehm träumte lange schon vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Heute lebt sie in den USA, arbeitete fünf Jahre lang in der Ölindustrie in Houston. Jetzt warten sie und ihr Mann auf die Greencard – und neue Jobabenteuer.
Weites Land, grenzenlose Freiheit, freundliche und meistens gut gelaunte Menschen. Gesine Michold-Brehm hat sich immer danach gesehnt. „Wenn ich groß bin, möchte ich in Amerika leben“, das war ihr schon als Kind klar. Träume, wie sie viele haben. Das erste Mal war die gebürtige Rostockerin dann als 16-Jährige in den USA. „Ich fand es großartig. Danach habe ich versucht, so oft wie möglich wieder über den Atlantik zu reisen.“ Nach dem International Business Studium im englischen Lancaster mit einem Bachelor-Abschluss hatte sie den ersten Schritt geschafft: Sie arbeitete für Lufthansa Cargo in Atlanta. „Doch dann konnten wegen der Finanz- und Weltwirtschaftskrise im Jahr 2009 keine Ausländer übernommen werden “, erzählt sie. „Der Markt war kollabiert.“ So ging es wohl oder übel erst einmal wieder zurück nachhause. In Rostock war Michold-Brehm anderthalb Jahre im Organisationsteam für die Hanse Sail, eines der weltweit größten Treffen von Traditionsseglern und Museumsschiffen, das seit 1991 alljährlich am zweiten August-Wochenende stattfindet. „Das war wirklich kein schlechter Job. Doch immer wieder habe ich mich umgesehen, für welches Unternehmen ich in den USA arbeiten könnte. Denn ich wollte nie in Rostock bleiben, so sehr ich die Stadt auch mag.“ 2011 wurde dann ihr Jahr. Von der Firma Wilhelm Kächele GmbH, einem deutschen Mittelständler und Spezialisten für Gummiformartikel und Gummi-Metall-Verbindungen, erhielt Michold-Brehm einen Expat-Vertrag – und ein E-2 Visum, eine unternehmensgebundene Arbeitsbewilligung. Sie fing als stellvertretende Niederlassungsleiterin in Texas an. Ihre Kollegen: zwei Deutsche und zwei amerikanische Lagerarbeiter.
In Houston stellt das Unternehmen aus der Schwäbischen Alb Rohre für die Ölförderung her. „Houston war nicht meine erste Wahl, denn es ist keine wirklich schöne Stadt. Aber ich habe sie mit der Zeit lieben gelernt, und es ist toll geworden.“ "Hauptsache Amerika" lautete das Motto. „Doch wie es immer so ist: Im Urlaub sieht alles etwas anders aus, als wenn man tatsächlich in dem Land, das man idealisiert hat, lebt. Ganz so einfach war mein Start nicht.“ Es war schwer, sich in Houston einzuleben, weit weg von der Familie – und mit einer Zeitverschiebung, die den Kontakt einschränkt. Sie kannte anfangs nur wenige Leute, und als Frau im Ölgeschäft musste sie sich in der Männerdomäne erst einmal Respekt erkämpfen. „Zunächst wurde ich nicht richtig ernst genommen“, erzählt die 36-Jährige. „In den meisten Meetings war ich die einzige Frau und sah auch noch jünger aus, als ich bin.“ Doch nach einer Weile haben die Kollegen gemerkt: Die kann was und bietet guten Service. Bereits nach zwei Jahren wurde die Mecklenburgerin zur Niederlassungsleiterin befördert. „Ich habe mich von Anfang an glücklich geschätzt, in einer deutschen Firma zu arbeiten.“ Denn der Vertrag vom schwäbischen Mutterunternehmen war für amerikanische Verhältnisse sehr luxuriös. Im Gegensatz zu den Amerikanern hatte Gesine Michold-Brehm 30 Tage Urlaub im Jahr. US-Amerikaner sind schon mit 15 Tagen im Jahr gut dran. Außerdem gab es das Gehalt in Euro – anfänglich auch von Vorteil. Ein weiterer Luxus war ein Freiflug pro Jahr und eine Krankenversicherung, von der die meisten Amerikaner in der Form nur träumen können.
Rodeo-Parade in Houston: "Texaner sind offen, freundlich aber auch oberflächlich." (©Foto: privat)Nach kurzer Zeit nach Deutschland zurückzukehren war trotz der Startschwierigkeiten nie eine Option. „Ich bin ein sturer Mensch“, sagt die Wahl-Amerikanerin. „Ich gebe nicht so schnell auf. Schließlich wollte ich unbedingt in die USA. Deshalb setzte ich mir ein Zeitlimit von zwei Jahren.“ Und das reichte. „Viele Leute hatten mir gesagt, Du brauchst mindestens ein Jahr, um dich einzuleben.“ Als sie dann die erste Freundin im Fitnessstudio traf, wurde es einfacher. Da war jemand, mit dem sie reden konnte. Wie lebt es sich in Texas? Der Bundesstaat sei speziell. Anders als der Rest der USA. Konservativer und prüder – zumindest auf den ersten Blick. „Texaner sind einerseits zunächst sehr offen, sprechen gern, sind superfreundlich, hilfsbereit, aber andererseits oberflächlich. Freunde zu finden, fand ich nicht leicht.“ Eine gute amerikanische Freundin hat sie mittlerweile, alle anderen sind auch Ausländer. „Wir haben uns halt als Gruppe zusammengerauft.“ Zudem leben in Houston viele Menschen aus aller Welt. „Was mich reizt am Leben in Amerika? Zunächst einmal ist das Miteinander im Gegensatz zu dem in Deutschland erst mal immer freundlicher und offener. Es ist schön, angelächelt zu werden.“ Das Leben in den USA ist sehr einfach. Im Sinne von: Man macht es den Menschen einfach. Amerika ist zudem sehr facettenreich, landschaftlich und kulturell. Die Natur großartig.
Houston hat sich für Gesine Michold-Brehm positiv entwickelt. Zudem hat „Harvey", der zweitstärkste Hurrikan, den die USA in den vergangenen zwölf Jahren erlebt haben, die Menschen zusammengeschweißt. Dieser Zusammenhalt und die Solidarität nach dem Orkan im Sommer dieses Jahres hat sich positiv auf das Miteinander ausgewirkt. So ließe sich auch Präsident Trump aushalten. Worin sich die Deutsche allerdings nie gewöhnen wird: Die Unzuverlässigkeit und die andere Arbeitseffektivität der Amerikaner. „Amerikaner arbeiten sehr langsam. Wenn jemand sagt, die Arbeit ist bis morgen um zwölf fertig, ist es sehr unwahrscheinlich, dass das auch zutrifft. Sie machen es auf jeden Fall, aber sind nicht gerade effizient.“ Auch das extreme Kreditkartenleben ist ihr nach wie vor fremd. „Selbst, wenn etwas nur 50 Cent kostet, wird hier die Kreditkarte genommen. Dadurch entsteht eine große Distanz zum Geld. Viele haben Immobilien, dicke Autos, die sie sich eigentlich gar nicht leisten können – und wenn die Schulden für die erste Kreditkarte zu hoch sind, werden diese mit der zweiten Kreditkarte bezahlt.“ Nach fünf Jahren war das Arbeitsvisum abgelaufen, und Gesine Michold-Brehm ist zu ihrem Mann nach Los Angeles gezogen, der mit einem H1B Visum, eine Arbeitsgenehmigung für zunächst drei Jahre, als Ingenieur bei einem Medizintechnik-Unternehmen tätig ist und eine Greencard erwartet. „Die wird dann auch für mich gelten.“ Also so schnell wird es noch nicht wieder zurück nach Deutschland gehen. „Ich suche gerade wieder einen Job in der Luftfahrt.“ In Los Angeles ist Gesine Michold-Brehm zurzeit als freiwillige Helferin sehr aktiv und organisiert unter anderem einmal im Monat ein Business Networking Event für InterNations*, der weltweit größten Expat-Community, in der Ausländer sich mit anderen Gleichgesinnten über Erfahrungen austauschen, private und berufliche Kontakte knüpfen oder einfach mal wieder in der Muttersprache reden können. Und für alle, die auch einen Ortswechsel über den „großen Teich“ in Erwägung ziehen, hat Michold-Brehm einen Tipp: „Es gibt ein tolles Buch, das ich jedem empfehle, der sich in die USA sehnt: „Good-bye Deutschland - Mit der Green Card nach Amerika“.
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Veröffentlicht
30.11.2017