Schüler Berufsorientierung Corona © eyecrave / Getty Images

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Abi und dann? So klappt die Berufsorientierung während Corona

«Und, was willst du nach dem Abi machen?» Während die einen begeistert beginnen zu erzählen, wird es bei den anderen unangenehm still. Was helfen kann, wenn man so gar keinen Plan hat.


Dino-Expertin, Tierarzt oder doch lieber Baggerfahrerin? Wenn man Kinder fragt, was sie später einmal werden wollen, haben sie häufig schon eine überraschend genaue Antwort. Einige Jahre später sieht das oft ganz anders aus. Vor allem wenn das Abitur bevorsteht, tun sich viele schwer damit, eine Entscheidung zu treffen. Denn wie soll man zwischen Lernstress und Corona-Pandemie herausfinden, was man mit dem Rest seines Lebens anfangen will?

«Wenn man am Anfang seines Berufslebens steht, gibt es scheinbar unendlich viele Möglichkeiten, zwischen denen man sich entscheiden muss», sagt Nora Hansel. Sie arbeitet als Berufsberaterin bei der Agentur für Arbeit in Bochum. «Doch in der Realität muss man sich zu Beginn oft gar nicht für einen der vielen Wege entscheiden, sondern nur für eine grobe Richtung, in die man starten möchte.»

Auch negative Erfahrungen dienen der Orientierung

Hilfreich können folgende Fragen sein: Welche Branchen finde ich spannend? Was genau macht mir Spaß an meinen Hobbys und Lieblingsfächern? Wo liegen meine Stärken? Welche Tätigkeiten kann ich mir später so gar nicht vorstellen? Möchte ich nach dem Abi überhaupt sofort studieren oder lieber etwas fernab von Prüfungen und Theorie machen?

Oft haben Jugendliche auch schon während eines Schülerpraktikums erste Einblicke in die Berufswelt bekommen. «Auch wenn mir mein Praktikum nicht gefallen hat, kann ich das zur Orientierung nutzen», sagt Hansel. «Was genau fand ich so furchtbar? Wie kann ich sicherstellen, dass ich in meinem späteren Job beispielsweise auf keinen Fall so früh aufstehen muss?»

Faktoren wie Gehalt oder Work-Life-Balance einbeziehen

Denn natürlich spielt es nicht nur eine Rolle, mit was man sich in seinem Berufsleben beschäftigen möchte, sondern auch auf welche Art und Weise. Wer also schon genauere Vorstellungen von Gehalt, Arbeitszeiten, Work-Life-Balance oder Arbeitsumgebung hat, sollte diese direkt in seine Überlegungen miteinbeziehen und abwägen, wie wichtig ihm die einzelnen Faktoren sind.

Das kann man auch auf die Suche des passenden Studiengangs an der passenden Uni übertragen. Barbara Michalk, Referatsleiterin bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), erklärt: «Natürlich kann man sich an den inhaltlichen Schwerpunkten der Hochschulen und vor allem der Studiengänge orientieren. Oft sind für die Studierenden aber auch sekundäre Faktoren wichtig: Wie weit weg will ich von Zuhause? Will ich in einer Großstadt leben? Oder sollte es eher eine kleinere Stadt sein, weil das womöglich den Studienstart erleichtert?»

Interessenstests geben eine erste Richtung vor

In dieser ersten Orientierungsphase können auch Onlinetests helfen, zum Beispiel der SIT-Interessenstest des HRK-Hochschulkompasses oder das Check-U-Programm der Arbeitsagentur. «Wichtig ist, dass die Ergebnisse nicht in Stein gemeißelt sind, sondern eher Vorschläge machen, in welche Richtungen es gehen könnte», betont Hansel. Interessenten sollten darauf achten, dass Onlinetests kostenlos sind.

Auch Gespräche mit der Familie und den Freunden könnten den Jugendlichen weiterhelfen. «Bei Onlinetests wird oft gefragt, wo ich selbst meine Stärken und Interessen sehe. Aber natürlich ist es auch interessant zu vergleichen, wie andere mich wahrnehmen», sagt Michalk.

Eltern seien oft tolle Beratungspartner, weil sie ihre Kinder so gut kennen, sagt auch Berufsberaterin Nora Hansel. «Manchmal aber muss man aufpassen, dass sie ihren Nachwuchs nicht bewusst oder unbewusst in eine falsche Richtung drängen, weil sie zum Beispiel veraltete Vorstellungen von Frauen- und Männerberufen haben.» Wichtig sei, Meinungen zu sammeln, am Ende jedoch seine eigenen Entscheidungen zu treffen und seinen eigenen Weg zu gehen.

Schritt zwei: Der Realitätscheck

Konkret bedeutet das, nach der ersten Orientierungsphase in die zweite Phase zu starten: Den Realitätscheck. Ist die Branche, der Studiengang oder das Berufsfeld wirklich so, wie ich mir das vorstelle? «Unter normalen Bedingungen würde ich angehenden Studierenden empfehlen, sich die Hochschulen vor Ort anzuschauen und sich vielleicht auch mal in eine Vorlesung zu setzen», sagt Michalk.

Auch Hansel würde normalerweise Praktika innerhalb der Branche und Freiwilligendienste empfehlen oder dazu raten, berufsorientierende Angebote und Messen zu nutzen. «Dabei kann man sich den Berufsalltag anschauen und auch rechts und links nach spannenden Tätigkeitsfeldern Ausschau halten.»

Durch die Corona-Pandemie ist jedoch vieles anders. Während die Orientierungsphase mit Internetrecherche und Gesprächen nach wie vor gut von zu Hause aus funktioniert, fällt der Realitätscheck aktuell eher ins Wasser.

Während der Pandemie ist Kreativität gefragt

Hier heißt es kreativ werden: «Man kann online einen Blick ins Vorlesungsverzeichnis werfen oder sich Videos aus dem Fach oder Fachbereich bei YouTube anschauen», schlägt Michalk vor. Manche Unternehmen bieten auch trotz Pandemie Praktika an, in denen man vielleicht nicht den vollen Einblick in den Berufsalltag bekommt, aber wenigstens einige erste Anhaltspunkte, mit denen man dann weiterarbeiten kann.

Auch wer nach dem Abitur eigentlich erstmal ein Gap-Year einlegen wollte, kann eventuell eine Chance haben. Da sich die Situation ständig verändert, könne es sein, dass kurzfristig manche Freiwilligendienste oder Auslandsaufenthalte doch angeboten werden, sagt Hansel und fügt hinzu: «Die momentane Lage ist für Abiturienten wirklich bescheiden. Ich kann aber alle dazu motivieren, nicht aufzugeben und das beste aus der Situation zu machen.»

Veröffentlicht
11.05.2021

Author:in
Sophia Reddig