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Arbeitsrecht: Das können Sie bei Benachteiligung im Bewerbungsverfahren tun

Die meisten Bewerber haben es schon erlebt: Eine Absage auf eine Bewerbung. Klar: Grundsätzlich ist es dem Arbeitgeber überlassen, ob und wen er einstellen möchte. Kritisch wird es aber, wenn eine Benachteiligung vorliegt, die sich nicht ohne weiteres rechtfertigen lässt. Wann genau eine Benachteiligung im Bewerbungsverfahren rechtswidrig ist und was Sie als Betroffener tun können, erklärt uns die Rechtsexpertin Marjam Amirkhalily von anwalt.de.


Auf einen Blick: „Ich habe mich bei Ihnen beworben, weil…“
  • Eine Benachteiligung liegt vor, wenn jemand aus einem im AGG genannten Grund schlechter behandelt wird als andere Personen in einer vergleichbaren Situation.
  • Gibt es für die Benachteiligung keine Begründung, liegt eine Diskriminierung vor.
  • Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt bereits die Interessen von potenziellen Arbeitnehmern
  • Im Falle einer Benachteiligung im Bewerbungsprozess können Bewerber eine Entschädigung verlangen, die bis zu drei Monatsgehälter beträgt.

Rechtlich beginnt das Bewerbungsverfahren dann, wenn Bewerbungsunterlagen eingereicht werden und endet mit der Einstellung eines geeigneten Kandidaten. Kommen die Bewerbungsunterlagen beim Wunscharbeitgeber an, beginnt die Auswahl der Kandidaten, die einen Termin für ein Vorstellungsgespräch bekommen sollen. Aber wonach darf entschieden werden, ob ein Bewerber die Stelle bekommt oder nicht und was gilt als Diskrimierung?

Was stellt eine Benachteiligung beziehungsweise eine Diskriminierung dar?

Beispiel: Eine Frau, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch trägt und daher nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird, ist gegenüber anderen Frauen benachteiligt und erfährt eine Diskriminierung aufgrund ihrer Religion. Genauso wird ein 58-jähriger Mann diskriminiert, wenn er wegen seines Alters abgelehnt wird. Das AGG sieht allerdings im Hinblick auf Alter oder Religion und Weltanschauung Ausnahmen vor, sodass eine unterschiedliche Behandlung in diesen Bereichen zulässig sein kann. Anders sieht es aus, wenn an die Tätigkeit selbst bestimmte Anforderungen geknüpft sind. Von außen betrachtet kann dies diskriminierend wirken, aber bei näherer Betrachtung ist die unterschiedliche Behandlung unumgänglich. Beispiel: „Erwünscht sind Bewerber mit mindestens ein bis zwei Jahren einschlägiger Berufserfahrung“. Dies ist notwendig, um die jeweilige Position gut erfüllen zu können. Oder etwa: „Sie verfügen über ausgezeichnete Deutschkenntnisse.“ Dies ist eine nachvollziehbare Anforderung, wenn es sich beispielsweise um die Position eines Lektoren geht.

Wann kann eine Benachteiligung im Bewerbungsverfahren auftreten?

  • Stellenausschreibung Bereits hier schleichen sich Phrasen und Formulierungen ein, die zu einer Diskriminierung bestimmter Personengruppen und potenzieller Bewerber führen können: Beispiel: „Junger, dynamischer Verkäufer für Verkauf in Herrenbekleidungsgeschäft gesucht.”
  • Vorauswahl der Bewerber Hat man als Arbeitgeber dann die Bewerbungsmappen vor sich liegen, wird es schwierig: Wie wählt man fair aus? Die Antwort hierauf sollte lauten: nach der Qualifikation. Das Bewerbungsfoto, Tattoos, Piercings oder eine Haarfarbe die einem selbst nicht gefällt, sollten bei der Auswahl keine Rolle spielen.
  • Vorstellungsgespräch Fragen nach Ihrem Alter, Ihrer Herkunft oder Ihrem Glauben haben in den allermeisten Fällen nichts mit Ihrer Eignung für eine offene Position zu tun. Diese Fragen sind sogar diskriminierend und im Bewerbungsgespräch nicht zulässig. Auch Fragen, die im Zusammenhang mit dem Geschlecht, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, der sexuellen Identität, einer Schwangerschaft, der Familienplanung, dem Familienstand oder einer Mitgliedschaft in einer Partei oder Gewerkschaft stehen, sind unzulässig. Der Bewerber darf dann eine Antwort verweigern oder gar lügen.
    Das AGG hat zum Ziel, dass niemand benachteiligt wird. Das soll auch für die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen eines Bewerbers gelten:
  • Ist die Benachteiligung unbegründet, steht abgelehnten Bewerbern eine Entschädigung in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern bzw. Schadensersatz zu. Darunter fallen z. B. die Kosten für Aufwendungen für die Bewerbung oder das entgangene Einkommen.
  • Der Bewerber muss nachweisen, dass eine Benachteiligung vorliegt. Dies ist in der Praxis meist schwierig – sammeln Sie deshalb Belege für den Grund der Ablehnung. Oft lassen sich jedoch bereits in der Stellenausschreibung benachteiligende Formulierungen finden.
  • Jedem Bewerber ist daher anzuraten, alles, was mit der Bewerbung zu tun hat, zu dokumentieren. Stellenausschreibungen und Schriftwechsel sollten abgespeichert und aufgehoben werden. Der abgelehnte Bewerber hat ab Zugang der Absage zwei Monate Zeit, seine Ansprüche wegen Benachteiligung einzufordern.
  • Positiv ist: Kann der Bewerber eine unrechte Ungleichbehandlung nachweisen, liegt die Beweislast beim Arbeitgeber. Dieser muss nun beweisen, dass die Ungleichbehandlung nicht unerlaubt war, trotz vorhandener Indizien.

Es besteht kein Anspruch auf eine Begründung, weshalb eine Absage erfolgte.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) und auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) haben entschieden, dass der Arbeitgeber nicht offenlegen muss, warum er sich gegen den Bewerber entschieden hat (Urteil v. 25.04.2013 – 8 AZR 287/08), (Urteil v. 19.04.2012 – AZR 415/10).


Service-Info: Sind Sie betroffen? Prüfen Sie hier, ob eine Benachteiligung tatsächlich vorliegt, und gehen Sie dagegen vor. Jetzt prüfen!


anwalt.de LogoQuelle: Marjam Amirkhalily ist Redakteurin und Content Managerin bei anwalt.de. Mit über 70.000 veröffentlichten Rechtstipps finden Sie weitere Informationen zu den neuesten Tipps zu Fragen der Abfindung; sowie ausführliche Informationen zum Arbeitsrecht generell.  

Veröffentlicht
04.03.2019