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Das Bewerbungsanschreiben hat einen schweren Stand. Einerseits wird es immer noch gefordert, andererseits gilt es oft genug als ein überflüssiges Anhängsel. Was sollten Bewerber tun?
Für das Teilen dieses Bewerbungstexts in einem Karrierenetzwerk erhielt Daniel Merkel, Inhaber einer Werbeagentur, viel Aufmerksamkeit. Dem Posting zufolge war das knappe «Anschreiben» Teil einer Bewerbung für einen Ausbildungsplatz zum Fachinformatiker.
Unter dem Posting entfaltete sich eine ausufernde Diskussion, wie wichtig ein klassisches Anschreiben heute überhaupt noch ist. Unabhängig davon, dass Personaler meist eine einwandfreie Rechtschreibung erwarten: Reicht eine lockere Zeile per Mail oder Messenger heute aus? Personal-Experten ordnen ein.
Eine klare Meinung hat Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM). «Das Bewerbungsanschreiben hat ausgedient.» Je traditioneller ein Unternehmen eingestellt sei, desto mehr werde daran festgehalten. In ihrem Verband verzichteten jedoch bereits die meisten darauf. Es fehle der Mehrwert für den Auswahlprozess.
Grundsätzlich kommt es Dransfeld-Haase zufolge aber darauf an, als Bewerber einen Weg zu finden, über den «maßgeschneidert herüberkommt, warum ein Unternehmen infrage kommt.» Das kann auch ein Motivationsschreiben oder ein Bewerbungsvideo sein.
Schon 2017 zeigte eine Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half unter 500 Managern den Trend weg vom klassischen Anschreiben. Gut 60 Prozent der Personalentscheider gaben darin an, inzwischen auch Bewerbungen ohne Anschreiben zu akzeptieren. Der größte Kritikpunkt: die mangelnde Aussagekraft.
Soll das Anschreiben tatsächlich eine Funktion erfüllen und etwa Informationen liefern, die über den Lebenslauf hinausgehen, sind selbst formulierte Sätze wesentlich.
Das Problem: «Viele Leute wissen nicht, worauf es im Anschreiben ankommt», sagt der Bewerbungscoach und Buchautor Jürgen Hesse. Ein sehr gutes Anschreiben verlange viel Arbeit ab. Es sei sozusagen der Trailer zum eigentlichen Film und diene dazu, die Neugier zu wecken.
Hesse empfiehlt einen relativ knapp gehaltenen und gut strukturierten Text, der auf eine Seite passt. Unbedingt unterbleiben sollte ein einleitender Satz wie «Hiermit bewerbe ich mich». Das sei veraltet und lieblos, sagt Hesse.
Eine Perspektive für das Anschreiben sieht er dennoch nur in bestimmten Bereichen und Ebenen. Für Jobs im Niedriglohnsektor spiele es keine Rolle mehr, genauso wenig für stark nachgefragte.
Das bestätigt sich auch in der Praxis großer Arbeitgeber. «Wenn es um Jobs mit komplexen Tätigkeiten wie im Vertrieb, Marketing oder der IT geht, erwarten wir im Rahmen der Bewerbung das gesamte Paket», also ein Anschreiben und Referenzen, sagt zum Beispiel Ralph Wiechers, der sich als Executive Vice President People Management & Platforms bei der Deutschen Post DHL Group um Personalthemen kümmert.
Diesen Überblick liefere zwar bereits der Lebenslauf. Das Anschreiben könne darüber hinaus die persönliche Motivation, Entwicklungsbereitschaft oder den Führungsstil aufzeigen.
Geht es dagegen um Zustelltätigkeiten, sei ein langes Motivationsschreiben nicht zwingend erforderlich. «Hier sind sogar Bewerbungen per WhatsApp möglich.»
Da gehe es vor allem um die Kerndaten der Bewerber und Informationen zu deren Eignung. Also etwa, ob Kandidaten den körperlichen Anforderungen gewachsen sind, welche Erfahrung sie mitbringen und ob sie einen Führerschein haben. Auf Basis dessen gehe das Unternehmen in den weiteren Dialog.
Auch die Deutsche Bahn verlangt von Auszubildenden und Studierenden kein Anschreiben mehr, sagt Fabian Wylenzek, Leiter der Personalgewinnung Region Nord bei der DB. Zugführer und -begleiter müssen dagegen nach wie vor eines hinzufügen. «Ich möchte sehen, ob jemand die Anforderung der Stelle verstanden hat - um welchen Job es geht.» Vorher müsse ihn aber der Lebenslauf überzeugt haben.
Zentral ist also vor allem der CV. Bosch-Unternehmenssprecher Simon Schmitt zufolge, überprüfen Personaler damit zuerst, ob die Angaben der offenen Stelle entsprechen. Zugleich werden Bewerbungsprozesse zunehmend digitaler und über Online-Profile auch einfacher. «Sind Bewerber beispielsweise in sozialen Medien aktiv und pflegen ihr Profil regelmäßig, so können sie sich mittels der Verknüpfung eines Linkedin-Profils innerhalb weniger Minuten auf eine ausgeschriebene Stelle bewerben», so Schmitt.
Solche One-Click-Bewerbungen, bei denen Bewerber über einen einzigen Klick einen Link zu ihrem beruflichen Profil versenden, sind oft auch mobil möglich. Das Anschreiben fällt hier ganz automatisch weg.
Veröffentlicht
09.03.2022
Author:in
Hendrik Polland